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Schlaf – die vernachlässigte 3. Säule der körperlichen Fitness

Was ist wichtiger? Sport oder Ernährung? Dazu findet man unzählige Artikel online. Die Range reicht von „Als Anfänger ist Ernährung viel wichtiger“ über „Training ist deutlich wichtiger, weil durch Essen kann man ja kein Fett verbrennen“ bis zu „100% Training, 100% Ernährung! Beides extrem wichtig“. Die logische Folge: In den sowieso schon vollgepackten Alltag mit all seinen Verpflichtungen wird vor lauter Motivation strotzend möglichst viel und hartes Training reingepackt. Es soll ja ein anständiger Reiz gesetzt werden. Zusätzlich wird noch das Essen grammgenau gewogen und bis auf die letzte Kalorie berechnet, sonst ist ja alles umsonst, wie wir in den diversen Artikeln erfahren haben.

Da allerdings die wenigsten von uns drei oder mehr Stunden pro Tag übrig haben, muss das Workout eingeschoben werden. In der Früh vor dem Frühstück oder am Abend nach der Arbeit und vor den sozialen Verpflichtungen. Das lässt sich schon verkraften, wenn man vorne und hinten etwas an der Schlafenszeit abschabt. 

Schlaf - Ein Mangel lässt die Produktivität stark sinken

Wenig Schlaf als Erfolgsmodell?

5-6 Stunden reichen vollkommen aus. Das sagen zumindest einige Erfolgs-Influenzer, die ein höheres Schlafpensum mit Faulenzen gleichsetzen und Langschläfer sowieso direkt zu den Verlierern dieser Welt erklären. 

Viele Studien der letzten Jahrzehnte belegen allerdings, dass eine Schlafenszeit von weniger als 7 Stunden abträgliche Effekte für Gesundheit und Wohlbefinden bedeuten. 

Negative Auswirkungen

Wenn der Schlafentzug nicht allzu groß ausfällt bzw. über einen kürzeren Zeitraum stattfindet, gibt es kaum gesundheitlich bedenkliche Auswirkungen. Allerdings treten bereits bei einem geringen Schlafdefizit genau die Effekte auf, die uns in einen Teufelskreis geraten lassen. Verminderte Motivation, Lustlosigkeit und fehlende Vitalität überragen dann schnell Disziplin, Kontinuität und das Verlangen nach Bewegung und gesundem Essen. Wenn der Schlafmangel größer ausfällt, als die gelegentliche Party ihn verursacht, stellen sich mess- und spürbare Effekte ein, die klar negative Auswirkungen auf die Gesundheit und Leistungsfähigkeit haben können. Dazu zählen:

  • Erhöhtes Verlangen nach ungesundem Essen
  • Beeinträchtigung der Glukose-Empfindlichkeit (Blutzucker dauerhaft erhöht, was langfristig Typ 2-Diabetes fördert)
  • Daraus folgt ein beeinträchtigtes Füllen der Glykogenspeicher (Kohlenhydratspeicher sind sehr wichtige Energiegeber bei sportlichen Belastungen und im Alltag)
  • Negative Auswirkungen auf Wachstumshormone und Cortisol-Level (wodurch sich ein kataboler Zustand ergeben kann, in dem körperliche Substanzen zur Energiegewinnung abgebaut werden)
  • Erhöhte Produktion von entzündungsfördernden Zytokinen, was negative Effekte für Immunsystem, Muskelregeneration und die Balance des vegetativen Nervensystems mit sich bringt

Mehr Schlaf als Leistungs-Booster

In unserer erfolgsgetriebenen Gesellschaft ist es keine Seltenheit, Schlaf zu opfern und das Defizit dann mittels Nahrungsergänzungen, Zucker, Koffein oder anderen aufputschenden Mitteln auszugleichen.  Für einen Sportler, der nach Leistungsverbesserung strebt, würde dieses Vorgehen bedeuten, dass Wachstumshormone durch einen erhöhten Cortisolspiegel gehemmt werden, was dann wieder durch die Einnahme von Wachstumshormonen auszugleichen wäre. Einfacher (und gesünder) wäre es, ausreichende und regelmäßige Schlafenszeiten einzuhalten (die innere Uhr mag es, wenn immer zur selben Tageszeit geschlafen wird), um dem Körper die natürliche Produktion von Wachstumshormonen zu ermöglichen. Das kommt auch beim Dopingtest besser an. 

In Studien wurden deutliche Verbesserungen sportlicher Leistungen bei einer Verlängerung des Schlafes um zwei Stunden pro Tag festgestellt (z.B. Sprintzeiten, Genauigkeit beim Tennisaufschlag, Basketball-Trefferquote, Reaktionszeit und andere). Bei Spitzensportlerinnen und Spitzensportlern geht die Empfehlung in Richtung 9 Stunden Schlaf, was für einen Hobbysportler viel klingen mag. Allerdings ist der Schlaf als dritte gleichwertige Säule der Leistung neben Training und Ernährung zu betrachten und damit von großer Bedeutung. 

Schlafhygiene für bessere Schlafqualität

Neben der Quantität ist auch die Qualität ein entscheidender Faktor. Hat man Probleme ein- oder durchzuschlafen, ist ein erholsamer Schlaf wahrscheinlich auszuschließen. Hierzu einige Tipps, die aus einem Handout vom UCSD Center for Pulmonary and Sleep Medicine stammen:

  • Erst dann ins Bett, wenn man müde ist! Andernfalls besser etwas anderes machen, bis man müde wird
  • Gleichbleibende Rituale/Routinen vor dem zu Bett gehen entwickeln
  • Täglich zur selben Uhrzeit aufstehen (am besten auch am Wochenende)
  • Das Bett ausschließlich für Schlaf und Intimität nutzen
  • Alkohol und Koffein vermeiden bzw. möglichst nicht direkt vor dem Schlafen (Koffein hat eine Halbwertszeit von ca. 4 Stunden, vom 14 Uhr-Kaffee ist also um 22 Uhr noch etwa 25% im Körper)
  • Hochintensive Trainings nicht vor dem Schlafengehen absolvieren (durch Trainingsstress aufgebautes Cortisol verhindert einen guten Schlaf)
  • Das Schlafzimmer sollte ruhig, dunkel und eher kühl sein (die Empfehlung ist 16-19° Celsius Zimmertemperatur, wobei die subjektive Wohlfühltemperatur Vorrang haben sollte)

Weitere bekannte Tipps für eine bessere Schlafhygiene:

  • Vermeidung von Blaulicht in den letzten zwei Stunden vor dem zu Bett gehen (Smartphones, Laptops, Bildschirme)
  • „You snooze you lose“ – die Schlummerfunktion hat keine positiven Auswirkungen auf den Schlaf. Dann lieber den Wecker auf die spätestmögliche Zeit einstellen 
  • Passende und nicht zu alte Matratze verwenden (in der Regel ist eine Matratze nach spätestens 10 Jahren auszutauschen)

Möchte man seine Schlafroutinen verbessern oder den einen oder anderen Tipp implementieren reicht es nicht aus, den neuen Ablauf für ein Wochenende auszuprobieren. Für eine ernsthafte Evaluierung benötigt es mehrere Wochen, in denen die neuen Routinen eingehalten werden. 
Wie du deinen Schlaf als gutes Ziel formulierst erfährst du hier: 5 Gründe, warum deine Neujahrsvorsätze schon wieder scheitern

Die Hauptquelle der Daten und Fakten ist hier zu finden:
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/31288293/

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6 Kommentare zu Schlaf – die vernachlässigte 3. Säule der körperlichen Fitness

  1. Danke für die vielen wertvollen Impulse, über die man sich normalerweise kaum Gedanken macht.
    Der Austausch mit dir im Rahmen meines persönlichen Trainingsplans ist sehr bereichernd und hat mich in kurzer Zeit viel bewusster werden lassen . Danke!

  2. Interessanter Artikel mit wertvollen Inputs, danke! Häufig liest man ja auch über den „berühmten“ Schlaf vor Mitternacht. Hast du diesbzgl. was herausgefunden? 🙂

    1. Sehr interessante Frage! Grundsätzlich ist der Schlaf vor Mitternacht nicht besser als nach Mitternacht. Es geht viel mehr um Regelmäßigkeit. Der beste Schlaf sind die ersten 4 Stunden, wenn ich diese aber immer um 23 Uhr beginne, sind 75% meines „besseren Schlafes“ nach Mitternacht. Das Problem am sehr spät schlafen ist dann eher das Morgenlicht, dass mich aufwachen lässt. Wichtiger ist, wie gesagt, immer zur selben (oder ähnlichen) Zeit Schlafen zu gehen, weil der Körper aus Gewohnheit dann Melatonin aufbaut und müde wird. Da kommt dann das Konzept der inneren Uhr ins Spiel. Darüber möchte ich noch einen eigenen Blogbeitrag machen, weil das ein ziemlich großes Thema ist.

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